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Neue Besen kehren anders

OVB vom 20.12.2012:

Debüt von Thomas J. Mandl beim Musikverein Rosenheim

Neue Besen kehren, wenn nicht besser, so zumindest anders. Jeder neue Dirigent gibt andere Impulse. Thomas J. Mandl, der neue musikalische Leiter des Musikvereins Rosenheims, zeigte bei seinem Debüt-Konzert im gut gefüllten Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum, was er anders macht.
Im ersten Programmteil trennte er die beiden Ensembles, nämlich das Orchester und den Chor, gab beiden damit die Möglichkeit, sich alleine zu präsentieren. Auch das reine Musikvereins-Orchester, das ja zumeist nur aus Streichern besteht, machte dies. Die Streicher sprühten im Konzert für Streicher D-Dur RV 93 von Antonio Vivaldi geradezu vor Eifer, spielten agil und sehr beweglich und hörten vor allem genau aufeinander. In der Bach-Ouvertüre Nr. 3 BWV 1068, die das Konzert feierlich einleitete, hatte Mandl sich schon als sehr versierter Orchesterdirigent erwiesen. Natürlich-flüssige Gesten produzierten bei den Musikern ein genauso flüssiges Spiel, Mandl bereitete die musikalischen Abläufe rechtzeitig vor, unterstützte sie gestisch und ließ nie nach im Energienachschub. Für die berühmte „Air“ legte er seinen Dirigierstab beiseite und malte mit seinen Händen schöne Bögen und Kreise, die diese so unendlich zärtliche Musik zum ständigen Auf- und Abschwellen brachten. Dem pompös-höfischen Anfangssatz mit seiner gravitätischen Gezacktheit verlieh Mandl echte Feierlichkeit, der Gavotte die von Johann Mattheson seinerzeit attestierte „jauchzende Freude und hüpfendes Wesen“. Alles atmete festliche Freude, und die hervorragenden Trompeten strahlten um die Wette. Die Instrumentalisten schienen sich wohl zu fühlen unter diesem Dirigenten.
Dann durfte sich der Chor alleine präsentieren – ganz alleine. Dieses A-cappella-Singen ist eine große kleine Kunst und gleichzeitig für den sichtbar kleiner gewordenen Chor des Musikvereins eine große Herausforderung, der er sich beherzt stellte, vor allem in den beiden Chorsätzen von Andreas Hammerschmidt („Machte die Tore weit“ und „Verleih uns Frieden gnädiglich“). Der Chorklang ist noch nicht gerundet, noch nicht ganz homogenisiert und noch nicht ganz agil. Das gegenseitige Aushorchen des Klangs ist noch ausbaufähig. Dies war vor allem in den beiden hoch- und spätromantischen Chorstücken von Max Reger („Morgengesang“) und Edvard Grieg („Ave maris stella“) hörbar, deren harmonische Abenteuerwege von den Sängern mutig, aber (noch) nicht hinlänglich souverän beschritten wurden. Aber das reine A-cappella-Singen ist ja schließlich die Urzelle des Chorsingens überhaupt, also wird ein ständiges Üben darin dem Chorklang nur gut tun.
Das Mozart’sche „Laudamus Dominum“ leitete dann schon vor der Pause zum großen Oratorienteil über. Allerdings ist der Sopran von Barbara Baier in der Höhe etwas klirrig. Im groß angelegten „Magnificat“ des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach traten dann noch drei andere Solisten hinzu: Dávid Szigervári führte seinen feinen Tenor in der koloraturenreichen Bravour-Arie „Quia fecit magna“ sehr beweglich, Peter Cismarescu erfreute die Zuhörer, nicht aber den Rezensenten, mit Ausdrucksstärke seines klangschwachen Basses. Mit großer Expressivität erfüllte der stilsichere Countertenor Roland Schneider seine Arien, sein Duett mit dem Tenor („Deposuit potentes“) bezog seine Reize aus der Klangähnlichkeit der Stimmen.
Der Chor begann den prachtvollen Anfangschor noch etwas zögernd, sang dann aber wie gelöst, zeichnete sehr kräftig die schmerzreichen Harmonien in „Et misericordia eius“ nach und ließ im nimmermüden Schluss-Fugenchor an Energie nie nach.
Mandl trieb seine Musiker stetig an, die Geiger strichen im Anfangschor wie um ihr Leben die zahllosen schnellen Sechzehntel-Passagen, die Flöten und übrigen Holzbläser und Hörner bliesen ohrenschmeichelnd: Dieses strahlende und zugleich empfindsame und farbenreiche „Magnificat“ ist wohl für Rosenheim eine Erstaufführung und für Thomas J. Mandl eine gute Visitenkarte. Der lebhafte Beifall der Zuhörer schien dies zu bestätigen.