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Festliche und tanzselige Freude

OVB vom 19.12.2013:

Der Rosenheimer Musikverein gibt immer wieder jungen Musikern aus der Region ein Podium für Erstauftritte. Auch beim Weihnachtskonzert im ausverkauften Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum stand eine junge Musikerin auf der Bühne: die 14-jährige Marita Hörberg, Schülerin des Ignaz-Günther-Gymnasiums, Bundessiegerin beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ und ganz frisches Mitglied des Bundesjugendorchesters.

Ganz geschickt stellte sie sich nicht mit einem der großen Violinkonzerte vor, sondern präsentierte mit dem Violinkonzert B-Dur von Giuseppe Tartini nicht nur ein weithin unbekanntes Werk, sondern auch ein ungemein charmantes, leichtfüßiges, spritziges und doch mit Virtuosen-Gustostückerln gespicktes Konzert vor.
Den meisten jungen Geigern gebricht es an Ausdruckskraft. Sie meinen schon, ausdrucksstark sein, wenn sie instrumental noch stammeln. Nicht so Marita Hörberg. Mit zupackendem Nachdruck und energischem Strich präsentierte sie dieses Barockkonzert. Sie weiß, wann sie Nachdruck geben und wann sie nachlassen muss, sie kann Phrasen vorbereiten, gliedern, auskosten und auch gültig abschließen. Sie weiß, dass eine Themenwiederholung eben keine bloße Wiederholung sein darf, sondern immer wieder neue Facetten, Schattierungen und Steigerungen haben muss und dass dem Thema immer wieder neue Frische zugeführt werden muss. Sie führt stellenweise deutlich – und Thomas Johannes Mandl, der Dirigent, lässt sie generös auch führen. Im langsamen Satz kann sie sich selbst akustischen Raum schaffen, kann eine spannungsvolle Aura entstehen lassen, indem sie die Geige innig-zart und lichtvoll-hell singen lässt – auch wenn sie hier die Phrasen noch inniger ausklingen lassen hätte dürfen. Dafür hatte sie den hüpfenden Rhythmus des Schlusssatzes im Blut und verlor bei aller Wendigkeit nicht das lyrisch Fließende. Und nicht zuletzt das völlig natürliche Auftreten sicherte ihr das Wohlwollen des Publikums, das diese junge Solistin ausgiebig beklatschte.
Thomas Johannes Mandel möchte immer wieder den Chor auch als A-cappella-Chor zeigen. Hier war es die sublime Weihnachts-Motette „O magnum mysterium“ von Morten Lauridsen. Der Chor, von Kontrabass und Fagott leise unterstützt, folgte willig den dynamischen Vorschriften von Mandel bis zum Piano-Verstummen am Ende. Die Soprane klangen noch etwas ungestützt offen, gewannen im Forte aber an Sicherheit. Die Zuhörer waren von diesem Stück etwas verwirrt, wussten nicht, wann und ob es zu Ende war und ob sie applaudieren durften.
Vor der Pause dann das Hauptwerk, zunächst die erste Kantate von Bachs Weihnachtsoratorium. Mandel ließ diesen Weihnachtsjubelsturm, diese Explosion der Freude, diesen Anfang allen Anfangs mit den Paukenschlägen, den Trompetenfanfaren und dem herabstürzenden Geigenblitzen zunächst moderat und fast verhalten beginnen, fast zu selbstverständlich. Erst in der Wiederholung jubelten sich die Sänger in Fahrt und fast schien es, als wollten die Trompeten ein jubelnderes Tempo erzwingen. Aber Mandel blieb insgesamt bei den gelassenen Tempi, ließ die Musik immer fließen – nur gerade die Sinfonia in der zweiten Kantate nach der Pause nahm er ziemlich eilig, als bloße Hirtenmusik ohne viel spirituellen Zauber.
Als Evangelist und Tenorsolist fungierte der sehr junge Julian Freibott mit hellem, etwas kopfigem Tenor mit sympathischem Timbre und intelligenter wortdeutlicher Artikulation. In der „Frohe- Hirten“-Arie betonte er eher den Freudengestus als dass er alle kleinen Noten ganz ausziselierte: eine eher feine Freude, die aber betont wurde durch die außergewöhnlich schön spielende und phrasierende Flöte. Für den Rezensenten wirkte Gisela Schubert mit ihrem klug geführten und wohlklingenden Alt eher vernunftbetont sachlich als glühend-sinnlich, wie sie als Braut Christi sein sollte. Bianca Tognocchi war ein so hellstrahlender Weihnachtsengel mit silbrigem Sopran, dass man bedauerte, dass Bach ihr so wenige Arien gegönnt hatte. Sattsonor, mit machtvoller Autorität und metallenem Glanz übernahm so der Bassist Frederik Baltus das heimliche Kommando. Nur manchmal in der Höhe klang sein Bass etwas zu offen.
Endgültig hatte der erfreulich starke Chor in „Herrscher des Himmels“ die festliche und tanzselige Freude erreicht. Wenn die Hirten gen Betlehem gehen wollen, klang der Chor programmgemäß wie ein aufgeregt eilender Hirtenchor, als Engelschor („Ehre sei Gott in der Höhe“) zeigte er sich sicher in den Läufen und Koloraturen. Die Sopräne klingen oft mädchenhaft-strebsam, die Tenöre nicht sehr strahlkräftig, dafür die Bässe und Alte sicher, solide und gut durchhörbar. Am homogensten waren alle bei den Chorälen, die Mandel als gläubige Gemeindegesänge, die in sich durchaus wortausdeutende Binnenspannung hatten („Brich an, du schönes Morgenlicht“) oder sogar einen inneren Sog und viel Sehnsucht („Wie soll ich dich empfangen“). Großer Applaus dankte am Schluss allen Beteiligten. Für viele hat Weihnachten jetzt begonnen.