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Emotionale Schlittenfahrt mit der Rosenheimer Innphilharmonie

OVB vom 14.10.2020:

Der Dirigent Andreas Penninger und die Solistin Marija Hackl ganz einander zugewandt beim Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy.© Janka

Seit letztem November waren wegen der Corona-Pandemie weder Chor noch Orchester der Innphilharmonie aufgetreten. Jetzt war „Re-Start“, also Neustart, wenigstens mit dem reinen Streichorchester im nicht voll besetzten Ballhaussaal.

Rosenheim – Es war also ein bewegender Auftritt, die Musiker freuten sich, endlich nicht bloß üben zu müssen, sondern vor Publikum spielen zu dürfen. Und dies mit einem Programm verschiedenster Seelenzustände: von tiefer Trauer bis juvenil jauchzender Freude, von Ernsthaftigkeit bis Ironie, alles zusammengehalten durch das jugendliche Alter der Komponisten bei Entstehung ihrer Werke: ein schlüssiges Programm und gleichzeitig eine emotionale Schlittenfahrt.

Ein Dirigent auf Probe

Zusammengestellt hatte das Programm der derzeitige Dirigent im Prüfungsstadium, Andreas Penninger aus Österreich. Nach dem Ausscheiden von Thomas J. Mandl wollte die Innphilharmonie drei ausgesuchte Dirigenten ausprobieren, Penninger ist der erste. Und wäre eine gute Wahl: Klar in seiner Zeichengebung und uneitel hält er alles gut zusammen, gibt den Musikern Struktur und Sicherheit. Wichtige Einsätze bereitet er klug vor, vielleicht dürfte er auch öfter weniger wichtige Einsätze anzeigen.

Instrumene in intensivem Dialog

Mit der Streichersinfonie Nr. 5 in B-Dur des jungen Felix Mendelssohn Bartholdy begann das Konzert: Schon hier hörte man die intensive Probenarbeit, hörte man den Dialog zwischen Geigen und Bassgruppe, spürte man die Energie, mit der die Musiker den nie nachlassenden Energiestrom dieser Sinfonie immer wieder aufluden, und freute sich mit den Musikern über den aufschäumenden Stolz, mit dem der junge Felix im Finalsatz sein intensives Bach-Studium demonstrierte, indem er Fugengelehrsamkeit mit juvenilem Feuersturm verband, und auch über den augenzwinkernd-beiläufigen Schluss. Der langsame Satz hätte einen etwas weicheren und lieblicheren Klang vertragen können.

Mit feurig-rhythmischem Schwung

Ein Jahr später, mit 13 Jahren hatte Mendelssohn sein erstes Violinkonzert in d-Moll komponiert. Man hört es seltener als sein berühmtes e-Moll-Konzert. Die Solistin Marija Hackl, gleichzeitig Konzertmeisterin, spielte die Orchestereinleitung mit und dann allein mit feurig-rhythmischem Schwung die auf- und niederjagenden Tonskalen. Ihr Ton ist nicht üppig ausladend oder gar romantisch verschwimmend, sondern klar konturiert mit sehr wenig Vibrato, er wird im langsamen Satz zunehmend nachdrücklicher, größer und leuchtender. Das virtuose Auftrumpfen im Finalsatz mit den Sprüngen von der tiefen Saite bis zur höchsten Grifflage genießt sie sichtlich. Zu Recht wurde sie mit Beifall überschüttet. Das Orchester stürzte sich mit zupackender Verve in die scharfen Konturen, Abrisse, dynamischen Kontraste und energischen Tremoli der Partitur, sang (mit wenigen Unsauberkeiten) stetig im lyrischen Andante und ließ die Übergänge gut einklinken.

Emotionale Spannung

Tiefe Traurigkeit herrscht im Adagio von Samuel Barber, der dieses Stück mit 28 komponiert hatte. Penninger lässt es nicht in Tränen verdämmern, sondern lässt es reine strukturierte Musik sein und holt aus der auf- und absteigenden und -schwellenden Melodie emotionale Spannung. Auch hier hört man die gemeinsame Probenarbeit – und gemeinerweise jeden zu frühen Bogenansatz.

Ein fröhlicher Kehraus

Viel Ironie herrscht in der 1934 entstandenen „Simple Symphony“. Mit großem Ernst widmeten sich die Musiker diesem Schülerspaß des damals 21-jährigen Benjamin Britten, ein Spaß, „meliorisiert durch eine ‚gereift‘-jünglingshafte Satztechnik, die sich mit perfektem Handwerk dem durchaus ‚neoklassizistischen‘ Gusto anschmiegt“, wie der Musikwissenschaftler Klaus Jungheinrich sagt. Mit vergnügtem Zupfschwung im „Playful-pizzicato“, schöner Bratschenkantilene in der „Sentimental Saraband“ und einem fröhlichen Kehraus setzten die Musiker Pluspunkte.

Auf den aufbrandenden Beifall reagierte das Orchester mit dem ersten Satz aus „Palladio“ von Karl Jenkins, schneidig-kraftvoll gespielt, wie erlöst von der Konzertanspannung. Jetzt warten wir nur noch auf den Chor der Innphilharmonie.

 

Veröffentlicht auf OVB Online am 14.10.2020